ADHS SpƤtdiagnose – Wie sieht mein Leben nun aus?

Verƶffentlicht am
17 Januar 2024
Zuletzt aktualisiert
2 Mai 2024

Mein Name ist Emmy, 25 Jahre alt, und habe mit 22 Jahren meine Diagnose ADHS erhalten. Im ersten Teil habe ich bereits berichtet, wie ich zur Diagnose gekommen bin. Doch wie ging es dann weiter?
Mit einer groƟen Masse an Emotionen lag es nun an mir mich Neu kennenzulernen. Mein gesamtes Leben musste einmal neu beleuchtet werden, eben mit dem Aspekt, dass viele Punkte, in denen ich mich wertlos fĆ¼hlte, gar nicht meine Schuld waren. Diese Schuldfrage beschƤftigt mich bis heute, doch es wƤre vielleicht sinnvoll, erst einmal von vorne zu beginnen.

ADHS SpƤtdiagnose - Wie sieht mein Leben nun aus?
Symptome und Diagnose einer ADHS

Nach der Diagnose

Mit meiner Therapeutin erarbeitete ich einen Plan, was genau mir wichtig ist in dem Umgang mit der Diagnose ADHS. Das Syndrom haben wir erst einmal ganz neutral betrachtet, was es in meinem Gehirn macht und woher die ganzen Symptome Ć¼berhaupt kommen. Nebenbei habe ich mich in meiner Freizeit viel damit beschƤftigt, habe im Internet viel gelesen und durch die sozialen Medien Menschen gefunden, denen es Ƥhnlich geht.

Diese Betrachtungsweise von AuƟen hat mir dabei geholfen ADHS nicht als eine lƤstige psychische Krankheit zu sehen, wie sie leider in den ƶffentlichen Medien deklariert wird. Sondern als eine Besonderheit, die mir auch Vorteile bringt. Beispielsweise empfinde ich nun meine KreativitƤt, die wirklich ins unendliche geht, als Superkraft. Das ganze TagtrƤumen und out of the box Denken steht mir nicht im Weg, solange ich es zu meinen Gunsten einsetzen kann.

Nach und nach habe ich in der Therapie dann gelernt, meine Symptomatik anzunehmen und zu erkennen, was meiner ADHS geschuldet ist und was ich Ƥndern kann. Offensichtlich ist es noch immer ein harter Weg, meine ImpulsivitƤt und dysregulierte EmotionalitƤt zu kontrollieren, dennoch schaffe ich es immer mehr mich in solchen Momenten kurz rauszunehmen, um einmal tief durchzuatmen und die Situation aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Diese Art der ReflexionsfƤhigkeit macht gerade den Umgang mit meinem Mitmenschen viel leichter.

ADHS SpƤtdiagnose - Wie sieht mein Leben nun aus?

Medikamente fĆ¼r ADHS

Ich habe mich dazu entschieden Medikamente anzuwenden, auch wenn es da gespaltene Meinungen gibt. Ich sehe diese Stimulanzien als eine Hilfe an, wie eine Brille, die mich im Alltag unterstĆ¼tzt. Die Selbstkontrolle und Verarbeitung von Reizen sind damit besser zu managen und ich schaffe tatsƤchlich Aufgaben zu erledigen, ohne sie bis zum letzten Bisschen aufzuschieben, was mir ne Menge Stress erspart.

In Zusammenarbeit mit einer Psychiaterin habe ich vorerst das wohl bekannteste Medikament fĆ¼r mich ausprobiert, Ritalin. Die erste Einnahme war fĆ¼r mich eine Achterbahn der GefĆ¼hle, ich musste tatsƤchlich weinen als es plƶtzlich ruhig wurde in meinem Kopf. Keine 100 Gedanken, die gleichzeitig auf mich einprasseln, sondern eine geordnete Sammlung an Ideen und EindrĆ¼cken, bei denen ich selbst die Kontrolle habe, wie und wann ich etwas thematisieren mƶchte. FĆ¼r Neurotypische Menschen hƶrt sich diese Beschreibung vermutlich etwas verrĆ¼ckt an, aber genau so war es.

Nach einigen Monaten wurde der Rebound-Effekt leider stƤrker, was bedeutet, dass beim Nachlassen der Wirkung die Symptome der ADHS wie eine Wucht wieder eintraten. Somit haben meine Psychiaterin und ich uns dazu entschieden auf Elvanse umzusteigen. Anders als bei Ritalin ist hier die Wirkungsdauer wesentlich lƤnger und auch der Abbau des Medikaments gestaltet sich entspannter. FĆ¼r mich persƶnlich war dies auf jeden Fall die richtige Entscheidung, auch wenn es einige Nebeneffekte gibt. An diese Stelle ist es mir nochmal wichtig zu betonen, dass jede Person selbst entscheiden kann, ob Medikamente sinnvoll sind oder nicht. Auch die Art der Medikamente wirken bei jedem Menschen anders, da wir alle einzigartig sind.

Das Elvanse brachte in mir eine innere Ruhe hervor, die ich so nicht kenne. Um ehrlich zu sein, fĆ¼hlt sich das auch nach einigen Monaten komisch an und werde dann manchmal unruhig, weil ich innerlich ruhig bin. Ebenso ist die Klarheit und der Fokus auf meine Gedanken ein Punkt, der fĆ¼r mich positiv und auch negativ ist. Ich kann mich nƤmlich nun auch bewusster auf nicht so schƶne Gedanken konzentrieren, was im ersten Augenblick immer etwas unangenehm ist. FĆ¼r meine Therapie jedoch sehr sinnvoll!

Hilfestellung bei ADHS

Mittlerweile komme ich mit allem ganz gut klar und habe fĆ¼r mich, neben den Medikamenten, noch andere Dinge rausgefunden, die mir helfen.

Akzeptanz

ADHS SpƤtdiagnose - Wie sieht mein Leben nun aus?

Zu lernen und akzeptieren, dass ich anders funktioniere als die meisten Menschen, war gar nicht so leicht. Immerhin leben wir in einer Welt, die von neurotypischen Menschen dominiert wird und so sehen auch unsere Strukturen aus. Wie wir gelernt haben zu agieren oder uns zu organisieren, funktioniert fĆ¼r mich einfach nicht.

Und das ist nicht schlimm, im Gegenteil, mir steht vƶllig offen einen Weg zu finden, wie es fĆ¼r mich klappen kann. Beispielsweise die Verwendung von Planern, ich bin nicht dazu gezwungen meine Woche zu strukturieren und eine Routine zu haben. Ich kann mir meine ganzen Routinen so auslegen, dass ich glĆ¼cklich bin. Auch wenn ich sie 30 mal Ƥndere, es ist einfach unrealistisch, dass ich eine Morgenroutine habe wie Menschen auf TikTok. Das macht mich nicht weniger wertvoll oder erfolgreich.

AuƟerdem kommen wir nun noch einmal auf die Schuldfrage zurĆ¼ck – ich weiƟ, dass ich nicht dafĆ¼r verantwortlich sein kann ADHS zu haben. Doch mir schwirrt die ganze Zeit im Kopf herum, warum es niemand sonst gemerkt hat.

Lehrer*innen, meine Psycholog*innen die mich seitdem ich 14 bin betreuen oder irgendjemand anderes. Ich habe so viele Diagnosen bekommen, von Depression Ć¼ber Angststƶrungen und nie kam jemand darauf dass es einen Ursprung haben kƶnnte. Nach langer Zeit des wĆ¼tend-Seins weiƟ ich jetzt, dass es an dem Stigma liegen muss. Aufgrund von fehlender AufklƤrung, ForschungsansƤtzen, die sich hauptsƤchlich auf mƤnnliche Personen beziehen und die Aufrechterhaltung eines Bildes von ADHS, welches vƶllig drĆ¼ber ist. Derzeit beschweren sich viele Leute, dass anscheinend alle Menschen ADHS hƤtten, dabei wird vƶllig auƟer Acht gelassen, dass es mittlerweile einen Umschwung gibt im Bezug auf die AufklƤrung. Mit dem neuen Wissen und der Verbreitung von tatsƤchlichen ADHS Symptomen kommt es logischerweise zu vermehrten Diagnosen.

Schreiben

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Durch die Masse an Gedanken in meinem Kopf ist es oft schwer den Ɯberblick zu behalten. Das Schreiben hilft mir diese Gedanken fĆ¼r einen Moment rauszulassen und vielleicht meine Emotionen diesen gegenĆ¼ber zu regulieren. Was ich hƤufig mache ist das Mind Dumping, also einfach alles aufschreiben ohne RĆ¼cksicht auf Struktur oder Roten Faden. Ich muss nicht mein Geschriebenes Ƥsthetisch gestalten oder verstƤndlich schreiben, diese EintrƤge sind nur fĆ¼r mich.

AuƟerdem habe ich damit angefangen Shadow Work zu machen. Also durch spezifische Fragen an mein Inneres zu kommen, um mich mehr verstehen zu kƶnnen. Im Internet gibt es ganz viele Vorlagen, denen du dich bedienen kannst, falls du es auch einmal probieren magst.

ErnƤhrung

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Die ErnƤhrung ist fĆ¼r mich ein schwieriges Thema, da ich schon immer ein emotionaler Esser war. Jedoch habe ich einige Tricks fĆ¼r mich gefunden, um den Druck von AuƟen zu nehmen. Wenn ich weiƟ, dass die Woche stressig werden wird, dann habe ich viele schnelle Sachen zu Hause, die nicht viel Zeit oder Vorbereitung beanspruchen. Es geht im Endeffekt darum, dass es Ć¼berhaupt etwas zu Essen gibt. Safe Foods und Snacks sind ebenfalls essentiell, bei denen ich stets versuche mich auf gesunde, unkomplizierte Dinge zu beschrƤnken.


Wenn ich dann die Zeit und Kraft habe zu kochen, dann mache ich meist mehr, damit ich die Reste einfrieren kann. So habe ich immer etwas da, was ich mit im Zweifelsfall erwƤrmen kann.

AuƟerdem habe ich bemerkt, dass eine proteinreiche ErnƤhrung sich positiv auf meinen Allgemeinzustand auswirkt. So habe ich mehr Energie und komme leichter in den Tag hinein.

Austausch und Informationen sammeln

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FĆ¼r mich ist der Konsum von ADHS Content eine groƟe Hilfe, da es mittlerweile auf jeglichen Plattformen Creator*innen gibt, die Ć¼ber ihre Erfahrungen und Tipps sprechen. Dadurch lerne ich mich selbst besser kennen und kann einiges an Tricks ausprobieren, wodurch es mir leichter fƤllt durch den Alltag zu kommen.

Ebenso ist es eine wahnsinnige StĆ¼tze mich mit anderen Menschen auszutauschen, sei es im Internet oder in einer Selbsthilfegruppe. So fĆ¼hle ich mich weniger alleine, kann eine andere Perspektive einnehmen und kann an meiner Selbstwahrnehmung arbeiten.

Therapie

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Wie schon erwƤhnt stellt die Therapie einen wichtigen Teil dar, der mir im Umgang mit ADHS hilft. Nachdem ich die Verhaltenstherapie abgeschlossen habe, werde ich definitiv eine Tiefenpsychologische Therapie in Anspruch nehmen, um vergangene Traumata aufarbeiten zu kƶnnen. Mit dem Blickwickel der ADHS ist es nun wesentlich einfacher Verhaltensmuster einordnen zu kƶnnen.

NahrungsergƤnzungsmittel

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Durch meine Recherchen habe ich herausgefunden, dass einige NahrungsergƤnzungsmittel dabei helfen kƶnnen Symptome zu lindern. So nehme ich regelmƤƟig L-Thyrosin und Magnesium ein, um meine Konzentration und meinen seelischen Allgemeinzustand zu verbessern. Hierbei ist es wichtig vorher mit einem/einer Hausarzt/HausƤrztin zu sprechen, was fĆ¼r einen Selbst in Frage kommt – gerade im Bezug auf die Einnahme anderer Medikamente.

Listen – To Dos – Ehrlich mit sich Selbst sein

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Ich habe fĆ¼r alles Ć¼berall Listen, auf denen ich wichtige Dinge aufschreibe. Da ich einiges Vergesse, kann ich so darauf zugreifen und bin auf der sicheren Seite. In den letzten Monaten habe ich allerdings gemerkt, dass ich dazu neige meine To Do Listen bis ins Unendliche zu fĆ¼llen und mich im Nachhinein schlecht zu fĆ¼hlen wenn ich nicht alles geschafft habe. Aus diesem Grund versuche ich eine gewisse Ehrlichkeit mit einzubringen – was ist realistisch? Wenn ich dann doch mal in die Situation komme, dass viel zu viel auf meiner Liste steht, frage ich Menschen aus meinem Umfeld was wie wichtig ist. Mit diesem Imput schaffe ich es (mehr oder weniger) zu Priorisieren und kann mich dann der Umsetzung widmen.

KreativitƤt keine Grenzen setzen

ADHS SpƤtdiagnose - Wie sieht mein Leben nun aus?

Um langweilige Alltagsaufgaben erledigen zu kƶnnen und nicht in eine ADHS Paralyse zu rutschen, versuche ich an die Sache kreativ ranzugehen. Beispielsweise mache ich eine Challenge daraus, wie schnell ich den GeschirrspĆ¼ler ausrƤumen kann oder stelle mir beim Staubsaugen vor, ich wƤre in einer Filmsequenz mit passender Musik.

Im Endeffekt ist es egal, wie ich diese Aufgabe erledige, Hauptsache sie sind gemacht! Also warum sollte man sich das nicht spaƟig und kreativ gestalten.

Es gibt noch so viele Dinge mehr, die man selbst in seinen Alltag integrieren kann, um in diesen Strukturen zu funktionieren. Mir ist es jedoch wichtig, dass ich mir selbst eine Struktur errichte, in der Ich funktionieren kann. NatĆ¼rlich gibt es Kernaspekte, bei denen ich nicht nach meinem Empfinden handeln kann – so stellen sich AntrƤge nicht selbst oder bezahlen sich Mietkosten. Doch die Freiheiten die ich habe, mache ich mir zu eigen. Es ist mein Leben und ich muss glĆ¼cklich sein, niemand hat das Recht mir dort reinzureden oder mich in meiner Art und Weise zu kritisieren.

Fazit

Emmy, 25 Jahre alt, erhielt ihre ADHS-Diagnose mit 22 Jahren. Nach der Diagnose begann sie eine Reise der Selbstentdeckung und Akzeptanz. Mit Hilfe ihrer Therapeutin und Online-Communities lernte sie, ADHS nicht als Belastung, sondern als Besonderheit zu betrachten. Die Entscheidung fĆ¼r Medikamente wie Ritalin und spƤter Elvanse half ihr, besser mit den Symptomen umzugehen und Aufgaben effektiver zu bewƤltigen.

Emmy fand Wege, mit ihrer ADHS umzugehen, darunter Schreiben, Schattenarbeit, ErnƤhrungsumstellung und den Austausch mit anderen Betroffenen. Sie betont die Bedeutung von Selbstakzeptanz und den Umgang mit SchuldgefĆ¼hlen. Therapie ist ein wesentlicher Bestandteil ihres Weges, ebenso wie die Verwendung von NahrungsergƤnzungsmitteln und die Erstellung realistischer To-Do-Listen.

KreativitƤt und FlexibilitƤt helfen Emmy, den Alltag zu bewƤltigen, und sie ermutigt andere dazu, ihre eigenen Strategien zu finden. Ihr Fazit: Es ist wichtig, eine individuelle Struktur zu schaffen und sich nicht von anderen kritisieren zu lassen.

Ich hoffe sehr, dass Dir dieser Beitrag gefallen hat und er Dir vielleicht etwas Inspirationen geben konnte.

Passt auf Euch auf!

Emmy

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