Die positiven Effekte durch Meditation sind dir sicher gut bekannt. Jedoch, dass Meditation Nebenwirkungen haben kann, wird häufig nicht thematisiert. Daher wollen wir dich im Folgenden darüber aufklären.
Die Studienlage zu unerwünschten Nebeneffekten in Bezug auf Meditation und Achtsamkeit ist noch relativ dünn, da die meisten Studien auf positive Effekte fokussieren. Dennoch konnten auch negative Effekte ausgemacht werden.
In einer Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2020 durchsuchten beispielsweise Farias et al. insgesamt 83 durchgeführte Meditationsstudien zwischen 1975 und Oktober 2019. In 65 % dieser Studien wurden unerwünschte Nebeneffekte erwähnt, mit einer Gesamtrate von 8,3 % aller Testpersonen. Zu den häufigsten Nebenwirkungen gehörten Angstzustände und Depressionen, gefolgt von kognitiven Problemen (beispielsweise Konzentrationsschwierigkeiten) und gastrointestinalen Problemen (beispielsweise Bauchschmerzen).
Im Zusammenhang mit Achtsamkeit konnten ebenfalls negative Effekte gefunden werden. So veröffentlichten Britton et al. 2021 eine experimentelle Studie, deren Intervention auf Elementen der achtsamkeitsbasierten Stressreduktion (MBSR) nach Jon Kabat-Zinn aufbaute, die mit Elementen einer kognitiven Verhaltenstherapie kombiniert wurde. Im Rahmen dieser Studie berichteten 83 % von unerwünschten Nebeneffekten, die von Unwohlsein über Schlafprobleme bis hin zur Reaktivierung traumatischer Erinnerungen reichten.
Ebenfalls 2021 veröffentlichten dann Baer et al. die Ergebnisse zweier Studien, deren Intervention auf einer angepassten Variante der achtsamkeitsbasierten kognitiven Therapie (MBCT) beruhte. Untersucht wurde hier die Auswirkung auf Angstzustände und Depressionen. Hier konnte eine positive Wirkung festgestellt werden. Allerdings gaben bei den Befragungen etwa zwei Drittel der Testpersonen an, dass sie unangenehme Erfahrungen gemacht hätten, wie beispielsweise schwierige Emotionen, Empfindungen wie Frustration und Ängstlichkeit, beunruhigende Gedanken und Erinnerungen, Unbehagen, Achtsamkeit und Schmerz, Schläfrigkeit oder auch Selbstkritik aufgrund des Gefühls, dass sie das Achtsamkeitstraining nicht richtig oder ausreichend durchgeführt hätten.
Sehr ernst zu nehmen sind Effekte auf das Nervensystem. Sie kommen sehr selten vor, können aber weitreichende Auswirkungen haben. Wer nach der Meditation, oder dem Achtsamkeitstraining, starke Unruhe, Angstzustände oder gar Gefühlsstörungen wie Taubheit empfindet, sollte sich unbedingt psychologische oder ärztliche Unterstützung suchen. Hinter diesen Phänomenen können verdrängte Gefühle oder Erinnerungen stecken.
In der Studie von Britton et al. waren 6-14 % der berichteten Nebenwirkungen mit Anzeichen von dysreguliertem Arousal (Hyperarousal und Dissoziation) verbunden. Hyperarousal bezeichnet hierbei die andauernde, hohe psychovegetative Erregung, also innere Unruhe, Nervosität oder Ängstlichkeit. Dissoziation hingegen ist die Abspaltung einiger Gefühle und Empfindungen. Beides kann zum Beispiel beim Erleben von traumatischen Ereignissen auftreten. Ob wir nun verdrängte Erinnerungen in uns tragen, können wir ja leider vorher nicht wissen. Diese können durch Meditation und Achtsamkeit jedoch reaktiviert werden. Häufig kommen diese Erinnerungen nicht in Form von Bildern zu uns zurück, sondern zunächst als beunruhigende Gefühle. Eine fachkompetente Begleitung ist hier sehr wichtig, um kein erneutes Trauma zu riskieren.
Angstzustände können ferner auch dadurch ausgelöst werden, dass der Kontakt zum Körper wieder hergestellt wird. Besonders Menschen, die aufgrund von Hektik und Sorgen verlernt haben, ihren Körper zu spüren, können bei der Wiederverbindung starke Gefühle wahrnehmen, beispielsweise massive Energieschübe. Diese Erlebnisse können durchaus Angst auslösen. Auch hier sollte man sich nicht scheuen, darüber zu sprechen. Derartige Empfindungen sind kein Ausdruck davon, dass man etwas falsch gemacht hätte.
Sehr zu empfehlen ist eine gute Betreuung beim Meditieren lernen und beim Achtsamkeitstraining. In der Übersichtsarbeit von Farias et al. ist beispielsweise auffällig, dass die Häufigkeit von berichteten Nebenwirkungen in Beobachtungsstudien deutlich höher war (hier lag sie bei 33,2 %) als in experimentellen Studien (hier lag sie bei 3,7 %). Im Gegensatz zu den experimentellen Studien wurden in den berichteten Beobachtungsstudien die Meditationssitzungen nicht begleitet und nicht nach einem vorgegebenen Prinzip durchgeführt. Viele der Teilnehmenden gaben an, dass sie die Meditation eigenständig, beispielsweise unter Zuhilfenahme von Büchern durchführten. Dies könnte ein Grund dafür sein, dass hier die unerwünschten Nebeneffekte deutlich häufiger waren.
Aber nicht nur beim Einstieg in die Meditation ist ein regelmäßiger Austausch mit Meditationslehrern, oder im Rahmen einer Community sehr zu empfehlen, um Erlebnisse einordnen zu können.
Schon Paracelsus sagte einst „Alle Dinge sind Gift und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist.“ Diese Weisheit lässt sich über Heilmittel hinaus auch auf all das anwenden, was wir mit unserem Körper – aber auch mit dem Geist machen. Beim Sport wird es jedem einleuchten, dass ein „zu viel“ dem Körper schaden statt nützen kann. Ebenso ist es auch, wenn wir uns mit unserem Geist beschäftigen. Dies untermauern auch die Ergebnisse der Studie von Britton et. al., da hier Umfang und Häufigkeit der informellen Meditationspraxis mit mehr negativen Ereignissen und einer höheren Wahrscheinlichkeit anhaltender negativer Auswirkungen verbunden waren. Hierbei ist vor allem auch die Länge entscheidend. Regelmäßige kurze Meditationen von wenigen Minuten zeigen positivere Effekte, als stundenlange Meditationssitzungen. Im schlimmsten Fall kann man bei Letzteren sogar das Raum-Zeit-Gefühl verlieren.
Britton et al. kamen in ihrer Studie zu der Schlussfolgerung, dass vorübergehender Stress und negative Auswirkungen zu Beginn von achtsamkeitsbasierten Therapien die Norm sind - wie bei anderen psychologischen Behandlungen auch. In psychotherapeutischen Behandlungen beispielsweise, ist laut Lambert in 3-10 % aller Fälle eine vorübergehende Verschlechterung zu erwarten, bevor eine Besserung eintritt.
Was bringt Meditation - Die Achtsamkeitspraxis zielt mitunter darauf ab, das Bewusstsein für Geschehnisse in der Gegenwart zu erhöhen. Dies bezieht allerdings auch das Bewusstwerden von negativen Gefühlen und Empfindungen mit ein. In den Studien von Baer berichtete ein Teil der Testpersonen, dass ihnen die unangenehmen Erfahrungen im Nachhinein betrachtet sogar nützlich waren.
Um aufkommenden Ärger und negative Gefühle während der Meditation oder des Achtsamkeitstrainings zu vermeiden, sollte man mit realistischen Zielen und Erwartungen starten. Auch der Psychologe, Neurowissenschaftler und Meditationsforscher Ulrich Ott, der sich auch mit negativen Auswirkungen von Meditationen beschäftigt hat, wies in mehreren Interviews immer wieder darauf hin, dass Meditation kein Allheilmittel ist. Man sollte nicht mit der Meditation beginnen, um bestehende Probleme lösen zu wollen. Selbstverständlich kann die Meditation unterstützend sein. Wer jedoch tiefgreifende Probleme mit sich herumträgt, sollte die Meditation nicht als Ersatz für eine Therapie begreifen, sondern vielmehr als Ergänzung.
Auch an sich selbst sollten die Erwartungen nicht zu hoch gesetzt werden. Gerade zu Anfang driften die Gedanken häufig und auch länger ab. Sich hierüber zu ärgern ist unnötig, vielmehr sollte es als wertvolle Lernerfahrung aufgefasst werden. Auch in diesem Zusammenhang sollte wieder erwähnt werden, wie wichtig Kontakte sind. Denn diese können helfen, mit Selbstkritik und Frustration angemessen umzugehen.
Wenn du dir noch einmal die positiven Effekte von Meditation in Erinnerung rufen willst, dann schau doch mal bei unserem Beitrag "Was bringt Meditation" vorbei.
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Baer, R., Crane, C., Montero-Marin, J., Phillips, A., Taylor, L., Tickell, A., & Kuyken, W. (2021). Frequency of Self-reported Unpleasant Events and Harm in a Mindfulness-Based Program in Two General Population Samples. Mindfulness, 12(3), 763–774. https://doi.org/10.1007/s12671-020-01547-8
Britton, W. B., Lindahl, J. R., Cooper, D. J., Canby, N. K., & Palitsky, R. (2021). Defining and Measuring Meditation-Related Adverse Effects in Mindfulness-Based Programs. Clinical Psychological Science, 9(6), 1185–1204. https://doi.org/10.1177/2167702621996340
Farias, M., Maraldi, E., Wallenkampf, K. C., & Lucchetti, G. (2020). Adverse events in meditation practices and meditation‐based therapies: A systematic review. Acta Psychiatrica Scandinavica, 142(5), 374–393. https://doi.org/10.1111/acps.13225
Lambert, M. J. (Hrsg.). (2012). Bergin and Garfield’s handbook of psychotherapy and behavior change (6th ed) [Electronic resource]. John Wiley & Sons.