Gewaltfreie Kommunikation: Was ist das?

Veröffentlicht am
11 Oktober 2023
Zuletzt aktualisiert
15 Oktober 2025

Gewaltfreie Kommunikation – so nennt sich ein Kommunikationskonzept nach dem amerikanischen Psychologen Marshall B. Rosenberg. In diesem Artikel erfährst du, was die Grundlagen der Gewaltfreien Kommunikation sind und was das Konzept mit Achtsamkeit zu tun hat.

Was ist gewaltfreie Kommunikation?

Geprägt durch Ausgrenzung aufgrund seiner jüdischen Wurzeln forschte Marshall B. Rosenberg jahrelang, wie unsere Sprache zur Entwicklung von Gewalt beiträgt. In den 60er Jahren entwickelte Rosenberg dann sein Modell der Gewaltfreien Kommunikation. Der Grundgedanke: Wir entwickeln mithilfe der Gewaltfreien Kommunikation eine innere Haltung, mit der wir mit uns selbst und anderen Menschen umgehen wollen, um mehr Kooperation und Gemeinschaft zu erleben.

Was haben Giraffen mit Gewaltfreier Kommunikation zu tun?

Rosenberg arbeitete mit vielen Metaphern und Bildern, um seine Konzepte zu veranschaulichen. So fand er das Symbol der Giraffensprache und der Wolfsprache. Wölfe leben in hierarchischen Rudeln, ein Tier ist der Leitwolf und alle anderen folgen. Wenn ein Wolf kommuniziert, so tut er dies, um seine Machtposition zu festigen, um recht zu haben. Deshalb besteht seine Sprache aus Urteilen, Vorwürfen und Bewertungen.

Giraffen hingegen kommunizieren ganz anders. Sie sind riesig groß und haben deshalb stets einen guten Überblick über das, was passiert – aus einer hilfreichen Distanz. Sie haben unter allen Landsäugern das größte Herz, weshalb Rosenberg sie wohl als Symbol für die gewaltfreie Kommunikation gewählt hat. Spricht jemand in der Giraffensprache, so entsteht eine echte Verbindung durch Ehrlichkeit und Mitgefühl.

Die Gewaltfreie Kommunikation entsteht nach Rosenberg schließlich durch ein Zusammenspiel von Wolf und Giraffe. Niemand kann immer nur eine Giraffe sein – in jedem von uns steckt auch ein Wolf. Es geht in der Gewaltfreien Kommunikation nicht darum, dass dieser Wolf nicht da sein darf, sondern viel mehr darum, dass wir uns dessen bewusstwerden. Und dann können wir uns aktiv dafür entscheiden, in bestimmten Momenten lieber wie eine Giraffe zu kommunizieren statt wie ein Wolf.

Wolfsprache

Wie funktioniert die Giraffensprache der gewaltfreien Kommunikation?

Um von der Wolf- in die Giraffensprache zu kommen, hat Rosenberg das sogenannte Modell der 4 Schritte entwickelt. Du kannst diese Schritte verbalisieren oder für Dich im Kopf durchgehen, je nach dem, wie es für Dich und die Situation passt.

  1. Beobachtung:  Was genau ist passiert? Was hast Du gesehen und gehört? Beschreibe knapp und präzise, ohne zu werten oder zu interpretieren.
  2. Gefühle: Was hat das Geschehene bei Dir ausgelöst? Wie fühlst Du Dich? Konzentriere Dich auf die Grundgefühle (Wut, Angst, Trauer, Freude, Ekel), keine Pseudogefühle!
  3. Bedürfnisse: Welches Bedürfnis steckt hinter Deinem Gefühl? Was brauchst Du gerade? Vielleicht Ruhe, Wertschätzung, Gemeinschaft, …?
  4. Bitte: Was kann die andere Person oder Du selbst tun, um das Bedürfnis zu erfüllen? Formuliere eine Bitte, keine Forderung – eine Bitte darf auch verneint werden!
Giraffensprache

Was sind die drei Teilprozesse der Gewaltfreien Kommunikation?

Laut Rosenberg finden wir diese 4 Schritte in drei verschiedenen Teilprozessen wieder. Wir haben zum einen die Perspektive auf uns selbst. Im Modell der Gewaltfreien Kommunikation nennen wir dies den Prozess der Selbstempathie. Wir schauen bei den 4 Schritten also auf uns selbst: Was haben wir gesehen, was sind unsere Gefühle und Bedürfnisse, um was möchten wir bitten?

Der zweite Teilprozess in der Gewaltfreien Kommunikation ist der Selbstausdruck. In diesem Prozess gehen wir auf eine andere Person zu und teilen unsere 4 Schritte mit. Die Aufmerksamkeit liegt dabei immer noch auf uns selbst. Ein Beispiel für einen Ausdruck im Sinne der Gewaltfreien Kommunikation könnte etwa so aussehen: „Ich sehe, dass du den Müll nicht rausgebracht hast. Ich bin wirklich müde und brauche jetzt Ruhe und Erholung. Kannst du bitte den Müll rausbringen?“

Der dritte Teilprozess ist der Prozess der Empathie. Rosenberg meint damit, dass wir unsere Aufmerksamkeit auf die andere Person verschieben und die 4 Schritte am Gegenüber durchgehen. Sei an dieser Stelle sehr aufmerksam, dass sich keine Interpretationen und Wertungen einschleichen. Wenn diese doch aufkommen, versuche sie gedanklich für eine Weile zu parken.

Anschließend an das obige Beispiel könnte der Prozess der Empathie so ähnlich ausgedrückt werden: „Also, du sagst, du hattest heute auch keine Zeit, den Müll rauszubringen? Bist du vielleicht auch müde und brauchst Ruhe?“

Auf diese Art bleibt es nach Rosenberg auch in Konflikten möglich, dass alle Beteiligten gehört und gesehen werden. So können beide Parteien schließlich auf Augenhöhe nach einer gemeinsamen Lösung suchen, bei der nach Möglichkeit alle Bedürfnisse erfüllt werden, oder zumindest Teilaspekte aller Bedürfnisse.

Warum Gewaltfreie Kommunikation?

Lange Zeit gab es wenig wissenschaftliche Forschung, die sich mit der Effektivität der gewaltfreien Kommunikation auseinandersetzte. In den letzten Jahren hat sich dies ein wenig geändert. Einige Forschende haben inzwischen Studien zu den Auswirkungen der Gewaltfreien Kommunikation veröffentlicht, die ein durchgehend positives Bild zeigen.

So verbesserten sich durch Training der Gewaltfreien Kommunikation die zwischenmenschlichen Beziehungen von Mitarbeitern, da sich ihre Fähigkeit zur Emotionsregulation verbesserte (Guerrero & Jost, 2018). In einer weiteren Studie konnten Forschende zeigen, dass sich die psychische Gesundheit pflegender Angehöriger durch die Gewaltfreie Kommunikation signifikant verbesserte (Sinclair et al., 2018). Auch führte die Gewaltfreie Kommunikation zu weniger Aggressivität und Gewaltbereitschaft (Marshall, 2013) und zu verbesserter Zusammenarbeit und Empathie (Seidel & Sukitsch, 2012).

Da viele Bildungseinrichtungen die Gewaltfreie Kommunikation konzeptionell nutzen, haben Forschende auch die Auswirkungen auf Kinder in den Blick genommen. Studien zeigten, dass sich Gewaltfreie Kommunikation positiv auf das sozial-emotionale Lernen von Kindern auswirkt. Kinder aus Einrichtungen mit Gewaltfreier Kommunikation konnten ihre Gefühle besser äußern und lösten Konflikte friedlicher (Jakowich, 2020; Juncadella, 2013). Außerdem beschrieben Forschende langfristig positive Auswirkungen auf Selbstregulationsfähigkeiten und Schulerfolg (Ramsook et al., 2020).

Mutter bringt Kind Gewaltfreie Kommunikation mit Veranschaulichungen bei

Was hat Gewaltfreie Kommunikation mit Achtsamkeit zu tun?

Achtsamkeit ist auf vielen Ebenen eine Voraussetzung dafür, die Gewaltfreie Kommunikation nutzen zu können. Um zu bemerken, dass Du vielleicht manchmal in der Wolfssprache unterwegs bist, musst Du schließlich zunächst einmal achtsam genug sein, um das überhaupt wahrzunehmen. Damit hast Du schon den ersten Schritt getan!

Und auch die Technik der 4 Schritte ist ein Prozess, der viel Achtsamkeit von Dir erfordert. Sowohl beim Bereich der Selbstempathie als auch bei der Fokussierung auf das Gegenüber geht es um Wahrnehmung ohne zu urteilen und zu bewerten. Wir benötigen also genau dieselben Kompetenzen, um die es auch in der Achtsamkeit geht.

Rosenberg selbst sagte in einem Interview, dass er in seinen Trainings erlebe, Menschen mit Achtsamkeitspraxis kämen in der Gewaltfreien Kommunikation schneller voran als andere Menschen. Führt man sich vor Augen, dass es in beiden Konzepten um bewusste Wahrnehmung und mitfühlenden Umgang mit sich und anderen geht, ist dieser Zusammenhang wenig erstaunlich.

Du möchtest achtsamkeitsbasierte Meditation ausprobieren?

Wenn Du Achtsamkeit selbst ausprobieren willst, heißen wir Dich in unserem Online-Meditationsstudio bei Eversports herzlich willkommen. Bequem von Zuhause aus kannst Du an einer unserer zahlreichen von Expert*innen geleiteten live Meditation-Sessions oder Audio-Meditationen teilnehmen.

Wir freuen uns auf Dich!

überarbeitet am 14.10.2025 von Sarah B. (B.Sc. Psychologie)

Quellen

Guerrero, L. K., & Jost, J. T. (2018). Emotion regulation and nonviolence: A program evaluation of the nonviolent communication training. Journal of Social Psychology, 158(4), 461-473.

Jakowich, A. B. (2020). The Impact of Nonviolent Communication in an Early Childhood Montessori Environment.

Juncadella, C. M. (2013). What is the Impact of the Application of the Nonviolent Communication Model on the Development of Empathy? Overview of Research and Outcomes. School of Health and Related Research.

Marshall, C. (2013). Nonviolent communication training and its influence on the reduction of aggression and violence among prisoners. The Journal of Correctional Education, 64(3), 23-32.

Ramsook, K. A., Welsh, J. A. & Bierman, K. L. (2020). What you say, and how you say it: Preschoolers’ growth in vocabulary and communication skills differentially predict kindergarten academic achievement and self‐regulation. Social Development, 29(3).

Rosenberg, M.B.(2016) Gewaltfreie Kommunikation – Eine Sprache des Lebens. Junfermann Verlag, Paderborn.

Seidel, S., & Sukitsch, F. (2012). Enhancing team work and patient safety with nonviolent communication: A case report. Patient Safety in Surgery, 6(1), 1-5.

Sinclair, S., Beamer, K., Hack, T. F., McClement, S., Raffin Bouchal, S., Chochinov, H. M., & Hagen, N. A. (2018). Sympathy, empathy, and compassion.

1 Kommentar

  • Setzt Du die gewaltfreie Kommunikation schon in Deinem Alltag um? Vielleicht kennst Du sogar jemanden, dem das besonders gut oder nicht so gut gelingt?

Hinterlasse deinen Kommentar

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner