Chronische Darmerkrankungen: Wie kann Achtsamkeit helfen?

Veröffentlicht am
24 Januar 2024
Zuletzt aktualisiert
15 Oktober 2025
chronische Darmerkrankung

Chronisch entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa betreffen Millionen Menschen weltweit – und bedeuten aufgrund von Schmerzen, Erschöpfung und massiven Verdauungsproblemen eine große Belastung und Alltagseinschränkung. Wenn Du selbst betroffen bist oder jemanden mit der Erkrankung kennst, weißt Du vermutlich, dass Emotionen wie Angst oder Stress die Darmfunktion zusätzlich belasten. In diesem Artikel erklären wir Dir, was chronische Darmerkrankungen sind, warum neuronale Prozesse eine Rolle spielen und wie Dir achtsamkeitsbasierte Strategien und Meditation helfen können, Stress zu reduzieren, Symptome zu lindern und das Wohlbefinden zu stärken.

Was ist eine chronische Darmerkrankung?

Eine Erkrankung wird als chronisch bezeichnet, wenn sie nicht heilbar ist und über eine lange Zeit besteht (griechisch chrónos = ständig). Die häufigsten chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) sind Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa. Bei beiden Erkrankungen kommt es zu Entzündungen im Darm, allerdings an unterschiedlichen Orten: Bei Morbus Crohn ist der gesamte Darm betroffen, während Menschen mit Colitis Ulcerosa Entzündungen im Dickdarm entwickeln. Außerdem kann es bei Morbus Crohn auch zu Entzündungen außerhalb des Darms kommen, beispielsweise im Mundraum.

Beide chronische Darmerkrankungen verlaufen in Schüben, sogenannten Rezidiven, in denen die Betroffenen Bauchschmerzen, Blähungen, starke Durchfälle, Übelkeit und Abgeschlagenheit verspüren. Diese Symptome sind meist massiv ausgeprägt, sodass während eines aktiven Schubes ein normaler Alltag kaum möglich ist. Neben den Rezidiven kommt es sowohl bei Morbus Crohn als auch bei Colitis Ulcerosa zu beschwerdefreien Phasen, in der sogenannten Remission.

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Was sind die Ursachen für eine chronische Darmerkrankung?

Bei beiden beschriebenen Erkrankungen ist nicht vollständig geklärt, warum es zu den entzündlichen Prozessen kommt. Eine Rolle spielen genetische Faktoren: Studien konnten zeigen, dass das Erkrankungsrisiko für eine chronische Darmerkrankung zwischen 33 und 52% liegt, wenn beide Elternteile betroffen sind (Sartor, 2003). Auch Umweltfaktoren werden diskutiert, wie beispielsweise Rauchen oder ein ungesunder Ernährungsstil.

Ist Reizdarm eine chronische Darmerkrankung?

Das Reizdarm-Syndrom geht oft mit ähnlichen Symptomen einher wie eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung. Allerdings liegen beim Reizdarm im Unterschied zu Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa keine Entzündungen der Darmschleimhaut vor. Während es bei Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa Diagnosekriterien gibt (beispielsweise bestimmte Entzündungsmarker im Stuhl), ist Reizdarm eher eine Ausschluss-Diagnose: Wenn für das oben beschriebene Beschwerdebild keine Ursache gefunden werden kann, diagnostizieren Ärzt*innen das Reizdarm-Syndrom.

Häufig können Betroffene das Reizdarm-Syndrom mit geeigneten Maßnahmen nach einer gewissen Zeit in den Griff bekommen, sodass die Krankheit grundsätzlich heilbar ist. Reizdarm wird also nur eher selten eine chronische Darmerkrankung. Allerdings spielen auch beim Reizdarm-Syndrom psychische Prozesse und Stress eine große Rolle. Falls Du unter diesem Syndrom leidest, können deshalb auch bei Dir achtsamkeitsbasierte Interventionen und Meditationen helfen, die Symptome zu lindern.

Welche Rolle spielt die Psyche bei chronischen Darmerkrankungen?

Viele Betroffene von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen oder des Reizdarm-Syndroms berichten subjektiv davon, dass ihr psychisches Befinden mit dem Verlauf ihrer Erkrankung zusammenhängt. Und auch wenn Du nicht unter einer chronischen Darmerkrankung leidest, ist Dir vielleicht schon aufgefallen, dass sich Stress auf Deine Verdauung auswirkt. Auch wissenschaftlich konnte dieser Zusammenhang in einigen Studien gezeigt werden: Langzeitstress führt bei Betroffenen chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen zu einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für einen erneuten Schub (z.B. Levenstein, 2000; Qiu BS, 1999).

Auch umgekehrt gibt es einen Zusammenhang zwischen chronischen Darmerkrankungen und unserer Psyche. Menschen, die an Morbus Crohn oder Colitis Ulcerosa leiden, haben ein erhöhtes Risiko für Depressionen oder Angststörungen. Dies konnten Forscher*innen über mehrere Studien hinweg zeigen (Barberio et al., 2021).

Warum hängen Psyche und Darm zusammen?

Nun fragst Du Dich vielleicht, warum unser Stresserleben sich auf unseren Darm auswirkt. Auch die Forschung ist in den letzten Jahren zunehmend auf diese Frage aufmerksam geworden. Denn gerade für chronische Darmerkrankungen bietet dieser Zusammenhang einen wichtigen Ansatzpunkt neben der klassischen medizinischen Therapie. 

Den Grund dafür, dass Stress chronische Darmerkrankungen beeinflusst, sehen Wissenschaftler*innen in der sogenannten Darm-Hirn-Achse. Dies ist ein komplexes Kommunikationssystem zwischen Gehirn und Darmflora, das wir noch immer nicht völlig verstehen. Forscher*innen wissen aber, dass die Kommunikation in beide Richtungen verläuft: Neuronale Prozesse beeinflussen unsere Darmflora, zum Beispiel durch Botenstoffe, die bei Stress ausgeschüttet werden und Entzündungen im Darm hervorrufen. Und unser Darm beeinflusst auch unser psychisches Befinden, beispielsweise durch den Botenstoff Serotonin, der im Darm produziert wird und bei der Entstehung von Depressionen beteiligt ist.

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Wie bereits erwähnt, ist die Darm-Hirn-Achse ein kompliziertes System, weshalb eine genauere Erklärung an dieser Stelle zu weit führen würde. Wenn Dich das Thema chronische Darmerkrankungen, Darmflora und ihre Verbindung zum Gehirn interessiert, hör Dich mal in unseren Podcast Tonka & Phil rein! In Episode 48 sprechen wir mit Professor Peter Konturek, Chefarzt für Innere Medizin und Professor an der Universität Erlangen, der mit uns viel spannendes Wissen rund um Darm und Darmgesundheit geteilt hat!

Wie kann Achtsamkeit bei chronischen Darmerkrankungen helfen?

Nachdem Du gelesen hast, wie eng unser Gehirn mit unserem Darm verbunden ist, kannst Du Dir vermutlich schon gut vorstellen, warum psychologische Interventionen einen positiven Einfluss auf den Verlauf von Darmentzündungen haben. Auch in Leitlinien zur Therapie von chronischen Darmerkrankungen nennen Autor*innen inzwischen immer häufiger Verfahren, die die psychische Komponente der Erkrankung adressieren. Dies liegt unter anderem an der Studienlage, die uns auf die positiven Effekte hinweisen. So reduziert beispielsweise kognitive Verhaltenstherapie in Studien nicht nur zusätzlich auftretende depressive Symptome, sondern auch die entzündlichen Prozesse im Darm (Jordan, 2019).

Im Bereich der psychischen Verfahren konnten Forscher*innen bisher neben der Verhaltenstherapie nur für achtsamkeitsbasierte Interventionen positive Effekte nachweisen. So zeigten Menschen mit einer chronischen Darmerkrankung, die regelmäßig Achtsamkeitsübungen zur Stressreduktion nutzten, eine verbesserte Lebensqualität, weniger Erschöpfung und weniger psychische Erkrankungen (z.B. Hood & Jedel, 2017; Etwais et al., 2021). Auch finden Forscher*innen Hinweise darauf, dass Achtsamkeit die entzündlichen Prozesse im Darm reduzieren könnte (Goren et al., 2022). Hier ist allerdings noch weitere Forschung nötig, um robuste Aussagen zur Wirkweise zu erlauben.

Wie kannst Du Achtsamkeit nutzen?

Falls Du unter einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung oder dem Reizdarm-Syndrom leidest, kann Achtsamkeit eine zusätzliche Behandlungsmethode sein, die Deine Beschwerden lindert. Natürlich ersetzt Achtsamkeit niemals die Behandlung durch Ärzt*innen – und wenn Du den Verdacht hast, eine Darmerkrankung zu haben, suche in jedem Fall zuerst Praxis auf und lasse Dich untersuchen.

Möchtest Du Achtsamkeit zusätzlich zu einer medikamentösen Therapie nutzen, kannst Du verschiedene Übungen für Dich ausprobieren und diese Stück für Stück in Deinen Alltag integrieren. Sie helfen Dir, Dein Stresslevel zu senken und können auch Deine Erkrankung positiv beeinflussen. Du benötigst keinerlei Vorkenntnisse – Achtsamkeit kann jeder praktizieren!

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Es eignen sich im Prinzip alle Übungen, die Deine Aufmerksamkeit auf das Hier und Jetzt richten. Ein Beispiel für eine solche Übung ist der Bodyscan, bei dem Du Deinen Fokus systematisch durch alle Teile Deines Körpers lenkst. Für Anfänger*innen empfehlen sich geführte Übungen, bei denen Dich jemand während des Bodyscans anleitet. Wenn Du etwas geübter bist, kannst Du den Bodyscan auch selbstständig durchführen. So kannst Du die Übung an jedem Ort und zu jeder Zeit in Deinen Alltag einbauen.

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Wenn Du das Meditieren selbst ausprobieren willst, um die Symptome deiner chronischen Darmerkrankung zu lindern, heißen wir Dich in unserem Online-Meditationsstudio bei Eversports herzlich willkommen. Bequem von Zuhause aus kannst Du an einer unserer zahlreichen von Expert*innen geleiteten live Meditation-Sessions oder Audio-Meditationen teilnehmen.

Wir freuen uns auf Dich!

überarbeitet am 14.10.2025 von Sarah B. (B.Sc. Psychologie)

Quellen

Sartor RB. Clinical applications of advances in the genetics of IBD. Rev Gastroenterol Disord. 2003

Levenstein S, et al. Stress and exacerbation in ulcerative colitis: a prospective study of patients enrolled in remission. Am J Gastroenterol. (2000)

Qiu BS, et al. The role of CD4+ lymphocytes in the susceptibility of mice to stress-induced reactivation of experimental colitis. Nat Med. (1999)

Barberio B, Zamani M, Black CJ, Savarino EV, Ford AC. Prevalence of symptoms of anxiety and depression in patients with inflammatory bowel disease: A systematic review and meta-analysis. Lancet Gastroenterol Hepatol (2021)

Jordan C, Hayee B, Chalder T. Cognitive behaviour therapy for distress in people with inflammatory bowel disease: A benchmarking study. Clin Psychol Psychother (2019)

Hood MM, Jedel S. Mindfulness-based interventions in inflammatory bowel disease. Gastroenterol Clin North Am (2017)

Ewais T, Begun J, Kenny M, Hay K, Houldin E, Chuang KH, et al. Mindfulness based cognitive therapy for youth with inflammatory bowel disease and depression – findings from a pilot randomised controlled trial. J Psychosom Res (2021)

Goren G, Schwartz D, Friger M, Banai H, Sergienko R, Regev S, et al. Randomized controlled trial of cognitive-behavioral and mindfulness-based stress reduction on the quality of life of patients with crohn disease. Inflammation Bowel Dis (2022)

Ge, Li, et al. Psychological stress in inflammatory bowel disease: Psychoneuroimmunological insights into bidirectional gut–brain communications. Frontiers in immunology 13 (2022)

Kucharzik, Torsten, Rijcken, Emile, Bettenworth, Dominik and Senninger, Norbert. Therapie chronisch entzündlicher Darmerkrankungen, Berlin, Boston: De Gruyter, 2018

1 Kommentar

  • Kennst Du das Problem von chronischen Darmproblemen? Versuch es gerne mal mit Achtsamkeitsübungen und gib uns eine kleine Rückmeldung, falls sie helfen konnten!

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